~~DISCUSSION~~
Ach herrlich. Diese Tage an denen man zwischendrin feststellt: "Wäre mein W-LAN heut nicht schon dreimal abgeschmiert, hätte ich noch nichts gegessen und läge noch im Bett." Tage in denen man so leben kann, wie die Helden aus den Romanen. Losgelöst von Raum und Zeit. Hier ein wenig in Erinnerungen schwelgen, dort ein bisschen kreativ sein, gute Gedanken entwickeln und Ideen. Etwas Surrealität und Drama und ab und an ein Anwurf an Sex oder Zärtlichkeit. Ein Zeitfenster, das einen Blick auf die Welt und ihre Verhältnisse zulässt, ohne existenzialistische Furcht.
Man kann sich den Fragen des Alltags stellen oder ihren Matphern in der Politik. Man kann die Seele baumeln lassen (was für eine Metapher! Warum hat die Politik nicht solche?). Oder man plant.
Stell dir vor, du hast Hunger und kannst entscheiden, was du dir kochen möchstest. Ohne den Druck von Zeit oder Budget, was ja irgendiwe immer zusammenzuhängen scheint. Aber das Maß, dass du an Zeit zur Verfügung hast, lässt dir den Spielraum, kreativ mit deinem Budget umzugehen. Du musst nicht schnell fertig werden, es gibt nicht den nächsten Termin. Der Tag bestimmt deine Zeit. Und du selbst. Und was zunächst sehr kosmisch und esotherisch klingen mag, ist letztlich nur Physik. Energie geht nicht verloren. Licht ist so lange da, wie die Sonne deine Seite der Welt bescheint. Du bist so lange aktiv, wie es dir deine Versorgungssituation ermöglicht. Der Rhythmus wird ein anderer. Die relevanten Parameter werden andere. Für viele sieht das so aus, wie in den Tag hinein leben, aber es ist schlich ein anderes Bezugssystem. Eines zu dem man den Bezug nicht gänzlich verlieren sollte.
Das letzte Mal war diese Erkenntnis vor zwei Jahren da. Hier, mit den hin und wieder eintäglichen Auszeiten lässt sich das schwieriger erfahren. Aber da drüben, wo jeder Tag deutlich sichtbar durch den Atlantik strukturiert wird, ist es unleugbar. Es kommt vor, dass du für die gleiche Strecke mehr als die doppelte Zeit benötigst, nur weil sechs Stunden Zeit und deshalb Millionen Kubikmeter Salzwasser dazwischen liegen. Kulturkritik? Nein.
Ist es Kulturkritik, wenn man bemerkt, dass der Mensch die meisten Menschen danach zu streben scheinen, sich ihrem ursrünglichen, intrauteralen Zustand nachgeburtlich so weit wie möglich wieder anzunähern? Mit allen Klimanlagen und Bestelldiensten und Porn in möglichst Echtzeit? Nein. Es ist zunächst eine Beschreibung.
Vielleicht ist es legitim, sich in den Ursprung zurückzuwünschen. Vielleicht ist es menschlich. Vielleicht sogar vernünftig. Vielleicht schafft es aber auch so etwas wie das Meer, diese Sehnsucht zu dämpfen. Den Wunsch nach allumfassender Sorglosigkeit immerfort mit der Realwelt abzugleichen. Der hypotetischen Romantik romantische Hypothesen abzuringen. Oder vielleicht schafft es das zumindest bei mir besser als bei anderen.
Die Frage ist ja: Welche Anreize dort, zögen mich eher hinaus in den Tag, verglichen mit denen, die es hier nicht tun?
Die Landschaft und die Ausschnitte die sich fotografisch daraus destillieren ließen? Die ambivalente Sehnsucht nach Vergänglichkeit, die sich beim Betrachten der Brandung zusammen mit dem gischtzerstäubenden Wasser in Luft auflöst? Die Aussicht auf eine Bezahlbarkeit eines Lebens, dass ich mir wünsche, wenn ich endlich die Ferienwohnung im Hof renoviert habe? Die Sekunden in denen das Gesicht der schwarzhaarigen Französin (ich schätzte sie irgendwo zwischen 16 und 26) auf der Autobahn an den Köpfen ihrer Brüder vorbei mich ansah?
Egal welcher dieser (und der anderen) Aspekte letztlich ausschlaggebend sind und wie die Antworten auf diese Frage lauten. Ich bin mir sicher, dass sie sich nur beantworten lassen, wenn es freie Tage wie diesen gibt. Wenn es Tage gibt, an denen ich mich mit tausenden fernen Informationen überfluten lassen kann, um dahinter meine eigenen Gedanken zu sortieren. Ein Chaos aus Nutzlosigkeit an dem die eigenen Vorstellungen aufgehängt sind, wie die Innenkabine eines Geodätzeltes an seinem Gestänge. Und irgendwann wird das ganze so stabil, dass man sich bequem darin schlafen legen kann. Denn wenn es etwas gibt, dass wirklich stabil ist, dann ist es das Chaos da draußen.