~~DISCUSSION~~
Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an dieses Leben gewöhnt. Dieses coole interessante Leben, das Figuren in Büchern führen und das allein schon deswegen den Anschein eines interessanten Lebens hat, weil man sich bis zu diesem Punkt durch gelesen hat.
Im Prinzip sind diese "Heldenleben" langweilig. Todlangweilig. So langweilig, wie ein Macel Proust-Roman, in dem es keine Helden gibt, weil den Charakteren schlicht Nichts passiert oder wenn etwas passiert ist man von den 200 Seiten davor so narkotisiert, dass man es nicht mehr mitbekommt.
In den meisten anderen Geschichten jedoch werden die langweiligen Passagen einfach gerafft und komprimiert und ehe man sich versieht, stecken die Protagonisten bereits im nächsten "Abenteuer", stehen vor der nächsten "Prüfung" oder erleben das nächste "Drama". Alles Dinge, die Wertigkeit besitzen. Schwere und Metaphysik. Es entsteht der Eindruck, das was passiert sei für die Beteiligten von enormer Wichtigkeit. Auch dies wird durch die zeitliche Ansynchronität heftig unterstützt.
Wenn man Zeit hat (so wie Böll im Irischem Tagebuch zittiert: "Als Gott die Zeit gemacht hat, hat er genug davon gemacht.") verfällt man in solch ein Leben. Man kann sich erlauben, die belanglosen, dösigen, nichtsnutzigen Stunden und Tage einfach zu vergessen und sich aktuell und rückblickend auf die wichtigen und bedeutenden Momente konzentrieren. Man ist herausgelöst aus dem täglichen Trott, den man nur deshalb nicht hinterfragt, weil man sich nicht in der Lage sieht, adäquat und konsequent auf die zwangsläufige Antwort des Hinterfragens zu reagieren.
In Büchern geht sowas. Bei den Helden und bei uns selbst. Vollkommen frei von sachlichen Zwängen (nur dramaturgisch bedrängt von jenen, für die der Autor auch eine Lösung vorgesehen hat) können sie sich frei in der Welt und darüber hinaus bewegen und diese gestalten. Ähnlich wie die Mainzelmännchen oder die Maus, die immer das passende, benötigte Tool aus einer imaginären Tasche ziehen können.
Und doch bleibt der Eindruck, dass man selbst eigentlich für genau so ein Leben gemacht sei. Ein Leben in punktueller Aufregung mit dem Erfahrungswissen, dass es eine Lösung gibt und dem Luxus im Hintergrund über die beutungslosen Phasen lächelnd hinwegschauen zu können. Ein Leben mitten in der Welt und nicht an ihrem Rand oder in einer Nische. Ein Leben, auf das andere herabschauen und das durch diese vogelperspektivische Betrachtung aus dem örtlichen (und zeitlichen) Raum-Zeit-Kontinuum herausgehoben, quasi geadelt wird.
Früher(TM) ging sowas. Früher konnte ich Treppen raum- und zeitignorierend überwinden. Konnte stundenlang einer belanglosen Sache nachhängen, ohne Reue. Früher passierten aufregende Dinge, zwischendrin.
Nicht, dass es jetzt gerade schlimm wäre. Ganz im Gegenteil es sogar durchaus angenehm, wie es ist. Ich merke aber, dass diese groteske Geschichte von Murakami "Kafka am Strand" Erinnerungen wachruft, ... so Erinnerungen eben. Und Wünsche, ... so Wünsche eben.